Kann man sich im Krankenhaus wohlfühlen? Kann Architektur beim Gesundwerden helfen? Welche Rolle spielen Farben, Formen, Pflanzen und Licht? Was hat Innenarchitektur und Gestaltung mit Gesundheit, Fürsorge und Wertschätzung zu tun?
Eines meiner aktuellen Projekte ist die Umgestaltung verschiedener Bereiche einer Uniklinik. Daher bin ich oft vor Ort, beobachte und versetze mich in die Menschen, die diese Räume nutzen. Was brauchen sie? Was würde ihren Aufenthalt gut machen?
Wer schon einmal als Patientin oder Patient in einer Klinik war, kennt dieses Gefühl von Unsicherheit und Angst: Ich gehe in ein fremdes Gebäude, ich bin krank und habe eine Operation oder Behandlung vor mir. Schon am Eingang suche ich nach einem Zeichen, einem freundlichen Blick , der mir sagt, dass ich hier gut aufgehoben bin.
Der Raum spricht zuerst, noch bevor ein Mensch mit mir spricht. Und mein Körper nimmt viel mehr wahr, als mir bewusst ist.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Das Wichtigste in Kürze
Krankenhaus riecht nach Krankenhaus und sieht auch so aus
Du betrittst eine Klinik: Es riecht nach Desinfektionsmitteln, Streichwurst und Fencheltee. Du suchst nach einem freundlichen Gesicht und nach dem Raum, in dem du deine Untersuchung hast. Nach fünf Minuten hast du schon die Orientierung verloren. Diese endlosen weißen Flure, die weißen Wände und das blendend weiße Licht erinnern dich eher an eine Tiefgarage oder an die Zulassungsstelle.
Du suchst nach Orientierung, einem freundlichen Gesicht und einem Gefühl, das dir sagt: „Hier bist du gut aufgehoben.“ Fehlanzeige. Du warst vorher schon angespannt, doch jetzt bist du gestresst. Schon machst du dir Vorwürfe: „Bin ich denn zu dumm, diesen Raum zu finden?“ Stopp! Es liegt nicht an dir. Es liegt am Raum.
Kann man sich in so einer Umgebung wohlfühlen?
Kann so ein Raum helfen, gesund zu werden?
Wie fühlt es sich an, in so einer Umgebung zu arbeiten?
Warum der erste Eindruck und Orientierung so entscheidend sind
Gerade im Krankenhaus sind ein einladender erster Eindruck und gute Beschilderung entscheidend. Denn wenn Menschen ängstlich und angespannt sind, vergessen sie schnell, was ihnen erklärt wurde. Räume mit Ausblick, Tageslicht und klarer Struktur geben visuellen Halt und helfen dabei, uns sicher und wohlzufühlen.
Warum das klinisch weiße Krankenhaus nicht mehr funktioniert
Eins wird immer deutlicher: Das alte, weiße Krankenhaus mit seiner sterilen Nüchternheit hilft nicht beim Genesungsprozess von Patienten. Der Mensch braucht Gestaltung, die sich an seinen Bedürfnissen orientiert. Menschen brauchen Schönheit: Farbe, gute Proportion, Formenvielfalt, Abwechslung. Schönheit berührt, beruhigt und sagt uns, dass wir mehr sind als eine Patientennummer.
Gebaute Wertschätzung & Wellbeing als Grundlage jeder Gestaltung
Architektur und Raumgestaltung ist gebaute Wertschätzung für alle, die ein Gebäude ansehen oder nutzen. Für mich ist Wellbeing die Grundlage jeder gestalterischen Entscheidung. Erst recht im Krankenhaus.
Wie wirkt ein Raum auf den Menschen, auf seine Sinne, seine Emotionen, sein Befinden?
Wie erleben Patient’innen, Professor’innen, Ärzt’innen, Pflegepersonal, Mitarbeitende und Besucher’innen die Krankenhausumgebung?
Healing Architecture & Healing Environment
Healing Architecture, der gebaute Raum. Healing Environment, der erlebte Raum. Das eine beschreibt, was Architekt’innen planen: Struktur, Belichtung, Proportionen, Materialien, räumliche Zusammenhänge. Das andere ist das, was wir fühlen, hören, sehen und riechen, wenn wir einen Raum betreten. Alles greift ineinander. Nur dann entsteht ein Ort, der sich sicher anfühlt und Wohlbefinden möglich macht.
Was Studien belegen: Healing Architecture wirkt über Licht, Natur, Akustik & Material
Neben vielen weiteren Gestaltungselementen haben Studien folgende als wirksam belegt: Patient’innen in einem Zimmer mit Blick ins Grüne erholen sich schneller und brauchen weniger Schmerzmittel. Ebenfalls wirksam: Tageslicht, Ausblicke und Außenbereiche wie Loggien, Terrassen oder ein Garten. Eine angenehme Akustik statt hallender Räume. Warme, natürliche oder von der Natur inspirierte Materialien und sanfte Farben. Klare Wege und eine gute Beschilderung.
Ein Haus, das alle Nutzer’innen ernst nimmt
Alle Nutzergruppen brauchen gut gestaltete Räume in Innen- und Außenbereichen, die Stress abbauen, Geborgenheit fördern und einfach gut tun: Patient’innen brauchen Sicherheit, Ruhe und Orte für sozialen Austausch. Mitarbeitende brauchen Rückzugsorte, die sie sensorisch entlasten. Angehörige Orte zum Zurückziehen. Räume mit Tageslicht, behaglichen Farben und von der Natur inspirierten Materialien.
Architektur und Innenarchitektur können keine Therapie ersetzen
Aber sie können Räume schaffen, in denen Heilung möglich wird und in denen sich Menschen, gesehen und wertgeschätzt fühlen. Nicht nur, weil die Umgebungen schön aussehen, sondern weil sie nachweislich gut tun.
2. Der erste Eindruck – und warum er so entscheidend ist
Für mein aktuelles Projekt, die Umgestaltung wichtiger Aufenthaltsbereiche einer Uniklinik, komme ich nach vielen Jahren wieder in ein Krankenhaus. Glücklicherweise nur als Besucherin. Schon morgen könnte ich hier Patientin sein. Wie würde ich die Räume als Kranke wahrnehmen? Anders als heute?
Wenn wir krank sind, verändert sich unsere Wahrnehmung. Unser Körper ist empfindlicher, wir sind angespannt, in Gedanken. Und schon ist unser Orientierungssinn eingeschränkt. Räume, die wir im Alltag kaum bewusst wahrnehmen, wirken plötzlich laut, grell oder kalt.
Studien zeigen, dass kranke Menschen auf grelles Kunstlicht, monotone und zugige Flure, Gerüche oder hallende Geräusche besonders sensibel reagieren.
Ihr Organismus schaltet in Alarmbereitschaft, Stresshormone steigen, Schlaf- und Heilungsprozesse werden gestört. Kranke suchen instinktiv nach Zeichen von Sicherheit, Ruhe und einer menschlichen Geste. Etwas, was Halt gibt.
Dagegen wirken natürliche Materialien, gedämpftes Licht, klare Orientierung und eine angenehme Akustik und gute Luftqualität beruhigend. Sie haben einen wesentlichen Einfluss darauf, ob sich Patientinnen und Patienten sicher und wohlfühlen.
Wer kennt sie nicht? Diese weißen Flure?
3. Healing Architecture und Healing Environments – Was bedeutet was?
Healing Architecture ist ein noch junger, aber im Gesundheitswesen längst vertrauter Begriff. Man spricht auch von Architecture for Health Spaces, Heilsamer Architektur oder Healing Environment. Meistens erklärt ein Begriff das gesamte Raumkonzept gesundheitsfördernder Architektur, inklusive Innenraumgestaltung, Atmosphäre und der multisensorischer Wirkung.
Ich unterscheide in:
Healing Architecture steht für den gebauten Raum, also das bauliche, planbare Konzept.
Healing Environment beschreibt den erlebten Raum, das, was Menschen spüren und emotional verarbeiten.
Diese Unterscheidung ist für mich wichtig, denn ein Raum kann technisch gut geplant sein und sich trotzdem nicht gut anfühlen. Oder umgekehrt: Ein einfacher Raum kann mit warmer Atmosphäre und sinnlicher Gestaltung ein Gefühl von Sicherheit, Ruhe und Menschlichkeit vermitteln und obendrein gut funktionieren. Doch im Kern geht es immer um dieselbe Frage:
Welchen Einfluss haben Räume auf Gesundheit, Wohlbefinden und Genesung?
Healing Architecture – Der gebaute Raum
Wenn wir von Healing Architecture sprechen, meinen wir den gebauten Raum: das, was Architekt’nnen und Planer’innen zeichnen und konstruieren. Grundrisse, Struktur, Orientierung, Proportionen, Materialien, Lichtführung und Übergänge von Außenräumen in Innenräume und umgekehrt.
Healing Architecture baut auf dem Wissen auf, dass eine warme, gut gestaltete und wohnliche Umgebung mit Naturbezug, Stress senken, Vertrauen undWohlbefinden fördern, und damit Heilung beschleunigen kann. Auch wenn funktionale und hygienische Vorgaben die Gestaltung in Kliniken oft einschränken, gibt es Spielräume:
- Unterbringung in Einzelzimmern.
- Patientenzimmer mit Blick ins Grüne, wie auf einen Park mit Bäumen.
- Außenbereiche wie Loggien oder Terrassen.
- Von der Natur inspirierte Oberflächen.
- Je nach Nutzung unterschiedlich farbig angelegte Räume, die mal beruhigend, mal anregend sind.
- So viel Tageslicht wie möglich.
- Ergänzendes Kunstlicht, das weder grelle ist noch blendet oder Spiegelungen auf dem Boden erzeugt.
- Biophiles Design mit Pflanzen – wenn sie ästhetisch und gepflegt sind
Healing Environment – Der erlebte Raum
Menschen sind multisensorische Wesen. Unser Körper reagiert, bevor unser Kopf es einordnen kann. Ein Raum kann technisch perfekt sein und sich doch kalt anfühlen. Ein Raum kann Stress auslösen oder Ruhe schenken und Vertrauen fördern.
Ein Krankenhaus zu planen, ist eine der komplexesten Architekturaufgaben überhaupt. Es verlangt höchste Präzision, technische Expertise und ein tiefes Verständnis für Abläufe, Hygiene und Logistik. Zudem muss es sich möglichst flexibel an zukünftige Veränderungen anpassen können.
Durchdachte Innenraumgestaltung knüpft dort wirksam an: An der Qualität des erlebten Raums.
Innenarchitektur verbessert wirksam das Wohlbefinden von Patient’innen. Sie verbessert den Pflegealltag, weil sie Abläufe verbessert, und auch an Rückzugsräume für Mitarbeitende und Besucher’innen denkt.
Was die Forschung längst belegt: Heilende Krankenhausarchitektur fördert Genesung
Krankenhausarchitektur kann nicht heilen, doch optimierte Raumqualitäten beschleunigen den Genesungsprozess: mehr Tageslicht, behagliche Akustik, klare Wegführung, natürliche Materialien.
Auch wenn bauliche, funktionale und hygienische Vorgaben in der Planung von Gesundheitsbauten vieles einschränken, gibt es Spielräume, Räume so zu gestalten, dass sie das Wohlbefinden von Patient’innen, Angehörigen und Mitarbeitenden fördern.
Sonne, Ausblick und frische Luft. Die ersten Ansätze eines neuen Gesundheitsdenken.
Die Vordenker von Healing Architecture:
Florence Nightingale – Frische Luft, Hygiene, Tageslicht fördern Genesung
Schon im 19. Jahrhundert beschrieb die britische Krankenschwester Florence Nightingale (1820–1910), dass Umgebung und Raumgestaltung direkten Einfluss auf Heilung und Gesundheit haben. Sie beobachtete, wie Lärm, schlechte Luft und Dunkelheit die Genesung verzögern. Sie forderte viel Tageslicht, Fenster mit Ausblick, Sauberkeit , Ruhe und frische Luft.
„The very first requirement in a hospital is that it should do the sick no harm.“
Florence Nightingale
Ihre „Environmental Theory“ legte den Grundstein dafür, Architektur und Innenarchitektur als aktiven Teil der Pflege zu verstehen.
Florence Nightingale ist damit eine Pionierin und Mitbegründerin einer modernen Krankenpflege, lange bevor die Begriffe Healing Architecture und Healing Environment entstanden.
Roger Ulrich – Patient’innen mit Blick ins Grüne genesen schneller
Schon in den 1980er Jahren bewies der amerikanische Umweltpsychologe Roger S. Ulrich, dass Heilung nicht allein von Medizin und Therapie abhängt.
Gemäß der Studie von Roger Ulrich: „View through a window may influence recovery from surgery“ erholten sich Patient’innen mit Blick in einen Park mit Bäumen schneller nach einer Operation und brauchten weniger Schmerzmittel. Sie hatten weniger Komplikationen und kürzere Klinikaufenthalte als jene Patient’innen, deren Blick auf eine Backsteinmauer fiel.
„The environment influences the healing process“
Roger Ulrich
Roger Ulrichs Erkenntnis war ein Wendepunkt
Er sah den Menschen nicht nur als zu behandelnden Körper, sondern als sensorisches Wesen, das auf Umgebung, Licht, Farbe und Natur reagiert. Damit legte er den Grundstein für das, was später als Healing Architecture bekannt wurde.
Sein Ansatz ist heute wissenschaftlich belegt
Healing Architecture setzt auf evidenzbasierte Gestaltung die das Wohlbefinden von Patienten steigert, Stress reduziert und den Genesungsprozess beschleunigt. Architektur wird als aktiver Bestandteil der Behandlung verstanden.
Seitdem hat sich viel verändert
Immer mehr Studien belegen, dass der gebaute Raum messbar auf Gesundheit, Stimmung und Erholung wirkt. Er kann Stress reduzieren, Vertrauen fördern und Heilungsprozesse beschleunigen. Das, was früher intuitiv war, ist heute wissenschaftlich abgesichert und ein wesentlicher Bestandteil des Evidence-Based Design.
4. Evidence-Based Design (EBD): Die Methode des Nachweises
Evidence-Based Design bedeutet:
Wir gestalten Räume nicht nach Bauchgefühl oder persönlichem Geschmack, sondern auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Studien zeigen, wie sich Licht, Farben, Lärm oder ein Blick ins Grüne auf Stress, Schlaf und Befinden auswirken. Das fließt direkt in die Planung ein, damit Räume nicht nur funktionieren oder schön sind sondern Menschen auch emotional unterstützen: Patient’innen genauso wie Mitarbeitende und Angehörige.
Visuelle Umgebung: Zirkadianes Licht, Ausblicke und gute Luft
Licht, Ausblick
Natürliches Licht tut gut. Sonne und Licht verbessern die Stimmung, bringen Energie und halten unseren Biorhythmus, auch zirkadianer Rhythmus, im Gleichgewicht. Denn ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus kann den Heilungsverlauf verzögern. Studien zeigen: Wer während eines Klinikaufenthalts kaum Tageslicht bekommt, schläft schlechter, ist anfälliger für Stress und braucht länger, um gesund zu werden.
Räume mit viel Tageslicht, Pflanzen oder Ausblick ins Grüne unterstützen das Wohlbefinden messbar. Sogar dort, wo es keine Fenster gibt, lässt sich mit einer angepassten Lichtsteuerung der natürliche Rhythmus positiv beeinflussen. Das sorgt für bessere Schlafqualität, schnellere Erholung und entlastet auch die Pfleger’innen.
Was es bringt:
- verkürzte Liegezeiten
- weniger Stress für Patient:innen und Personal
- spürbare Erholung
Luft & Geruch
Gerüche wirken sofort, vor allem, wenn wir krank sind. Viele kennen das: Selbst ein vertrauter Duft kann plötzlich unangenehm sein. Frische Luft, dezente Reinigungsmittel und eine zurückhaltende Duftgestaltung helfen, dass Räume nicht nur sauber, sondern auch wohltuend wirken.
Akustische Umgebung: Lärmminderung und Stressabbau
Akustik und Ruhe
In vielen Krankenhäusern ist es nie wirklich still: Pieptöne, Schritte, klappernde Wagen. Das summiert sich zu einem Geräuschteppich, der auf Dauer belastet. Patienten und Personal beschreiben das oft als Zustand des „Daueralarms“. Und genau das ist es auch: messbar am steigenden Kortisolspiegel im Speichel.
Ruhe ist nicht nur angenehm, sie wirkt heilsam. Studien zeigen: Weniger Lärm führt zu weniger Stress, besserem Schlaf und sogar zu weniger Komplikationen nach Operationen. In manchen Fällen bis zu 50 Prozent. Und auch das Personal profitiert durch eine spürbar entspanntere Arbeitsumgebung.
Was hilft? Schallabsorbierende Materialien, weiche Oberflächen, leise Rückzugsorte und manchmal auch: beruhigende Klänge. Das sanfte Rauschen eines Brunnens zum Beispiel. Oder natürliche Geräusche, die unser Nervensystem runterregeln, statt es weiter zu aktivieren.
Natürliche Umgebung: Naturbezug und Oberflächen, die sich angenehm anfühlen
Wohlbefinden über Sehen, Spüren, Anfassen
Schon in den 1980er Jahren zeigte der Forscher Roger Ulrich: Patient:innen, die aus dem Krankenhausfenster ins Grüne blickten, brauchten weniger Schmerzmittel, fühlten sich psychisch stabiler und konnten früher entlassen werden.
Heute wissen wir: Es geht nicht nur um den Ausblick. Die gesamte Atmosphäre eines Raumes wirkt auf Körper und Psyche. Räume, die an zuhause erinnern, mit weichen Oberflächen und warmen Farben vermitteln emotionale Sicherheit. Und genau das brauchen Menschen, die krank, verunsichert oder erschöpft sind.
Farben können beruhigen, aktivieren oder orientieren.
Grün und Blau senken den Puls. Gelb wirkt freundlich und belebend. Farbige Akzente helfen, sich innlangen Fluren besser zurechtzufinden.
Auch Materialien sprechen unsere Sinne an.
Natürlich inspirierte Oberflächen, wie Holz, Stein oder textile Strukturen können gleichzeitig hygienisch, robust und desinfizierbar sein. Das heißt: Funktionalität und Wohlgefühl schließen sich nicht aus.
Räumliche Organisation und Privatsphäre
Ob ein Patient sich sicher fühlt, sich orientieren kann, Ruhe findet oder sich sogar etwas zuhause fühlt, hängt auch von der Raumorganisation ab.
Privatsphäre fördert den Heilungsprozess
Ein Einzelzimmer mit eigenem Bad ist kein Luxus. Es bedeutet: Rückzug, Ruhe, Intimität. Es gibt Raum zum Schlafen, Nachdenken, Erholen ohne ständige Störungen. Wer nachts nicht durch fremde Geräusche geweckt wird, erholt sich schneller.
Klare Wege reduzieren Stress
In einer ungewohnten Umgebung kann Orientierung Halt geben. Gut lesbare Beschilderungen, logische Raumfolgen, einfache Wegführung: Wer sich zurechtfindet, hat das Gefühl, die Kontrolle zu behalten. Das senkt Stress bei Patient’innen genauso wie bei Angehörigen.
Räume, die soziale Nähe möglich machen
Auch das Gegenteil von Rückzug ist wichtig: Aufenthaltsbereiche, die verbinden. Wo man mit Angehörigen zusammensitzen und gemeinsam Kaffee trinken kann oder einfach mit jemandem ins Gespräch kommt.
Rituale und positive Ablenkung und Aktivierung
Und Räume, die ablenken und aktivieren mit Musik, Kunst, Büchern oder einem Garten. Solche Orte machen eine Klinik weniger fremd und helfen, dass Krankheit für ein paar Minuten in den Hintergrund rückt.
Patientenbereiche erinnern immer mehr an ein Zuhause auf Zeit. Wie in einem gut gestalteten Hotel. Dabei wird Technik so gut es geht versteckt, um Angst zu mindern. Oberflächen sind von der Natur inspiriert, haptisch angenehm und trotzdem desinfizierbar.
5. Die räumlichen Bedürfnisse der Nutzergruppen eines Krankenhauses
Wenn man durch ein Krankenhaus geht, merkt man schnell: Es gibt nicht den einen Raum, der für alle gleich ist. Da begegnen sich Menschen, die helfen, und Menschen, die Hilfe brauchen. Das geht weit über die beiden Kategorien: Patienten und Personal hinaus.
Patient’innen, Ärzt’innen, Mitarbeitende, Verwaltungsangestellte, Reinigungskräfte, das Seelsorgeteam, Angehörige und Besucher’innen erleben ihn auf unterschiedliche Weise.
Wie schafft man Räume, die vielen Ansprüchen gerecht werden?
Patient’innen: Verlangsamtes Zeitgefühl und erhöhte sensorische Sensitivität
Für Patient’innen ist der Aufenthalt im Krankenhaus eine Ausnahmesituation. Der Körper ist geschwächt, die Wahrnehmung ist verändert, die Zeit vergeht langsamer. Sie sind in ihrer Wahrnehmung hochsensibel, denn sie haben „feinere Antennen“ als gesunde Menschen. Unter Stress oder Krankheit verstärkt sich sensorische Wahrnehmung (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten), was den Heilungsprozess beeinträchtigt.
Umgebungsreize, die gesunde Menschen tolerieren, sind für Kranke Grund für Stress. Faktoren, die sich nachweislich negativ auf das Wohlbefinden und die Genesung auswirken, sind Hektik, Lärm, Dunkelheit und schlechte Luftqualität. Das macht behagliche Beleuchtung, Belüftung und klare Orientierungssysteme so wichtig.

Ein Dachgarten ist Rückzugsort für Mitarbeitende einer Klinik im Sinne von Healing Architecture und Healing Environment: Raum für Erholung.
Mitarbeitende: Durchgetaktete Zeit & Stress
Für Ärzt’innen, Pflegekräfte und Therapeutinnen ist das Krankenhaus ein durchgetakteter Arbeitsplatz. Hier zählen Effizienz und optimierte Arbeitsabläufe. Räume, die entlasten sind kein Luxus sondern Voraussetzung für gute Arbeit und Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz.
Mitarbeitende brauchen Orte, an denen sie kurz zur Ruhe kommen können, die physische und psychische Entlastung bieten:
- Schallgedämmte Rückzugsräume mit gedämpftem Licht
- Aufenthaltsorte mit Tageslicht und Pflanzen
- Bequem gestaltete Pausenbereiche im Gebäude und im Freien, wie Innenhöfe, Terrassen, Dachgarten
Empathisch gestaltete Räume sind kein Luxus sondern gebaute Wertschätzung. Nur wer regenerieren kann, kann empathisch bleiben. Gute Arbeitsräume fördern also nicht nur Gesundheit, sondern auch Fürsorge.
Angehörige: Warten, Erschöpfung & Ungewissheit
Angehörige sind meist im Hintergrund und doch stark betroffen. Sie warten, oft stundenlang, auch nachts, und befinden sich in schwankenden Gefühlszuständen zwischen Hoffnung, Trauer, Abschied und Erschöpfung.
Ihre Räume sind selten auf längeres Warten ausgelegt. Ich sage nur: Automatenkaffee, kaltes Licht, harte Stühle. Doch gerade Angehörige brauchen Orte, die beruhigen, Geborgenheit vermitteln und ihnen erlauben, kurz durchzuatmen: Ein Fenster mit Ausblick, bequeme Sitzgelegenheiten, eine Liege, ein freundlicher Farbton: Architektonisch kleine Gesten und Lösungen, die sagen: „Ich hab verstanden, was du brauchst.“
Wie all diese unterschiedlichen Bedürfnisse frühzeitig zusammengebracht werden können, zeige ich in Kapitel 6 zur Leistungsphase 0 und am Beispiel des neuen Herzzentrums der Charité.
Leistungsphase 0: Die Bedürfnisse aller zusammenbringen
Am besten gelingt Krankenhausplanung, wenn man eine Leistungsphase 0 vorschaltet und das Budget dafür als gute Investition sieht: Das ist eine Phase, in der Architekt’innen, Innenarchitekt’innen mit den Nutzergruppen gemeinsam erarbeiten, was sie wirklich brauchen und verbessert haben möchten. LPH 0 sieht die HOAI jedoch nicht vor.
In Workshops und Computersimulationen wird sichtbar, wie unterschiedlich Räume erlebt werden und wo Belastung oder Entlastung entsteht. Das schafft Identifikation und verhindert, dass sich später jemand vergessen fühlt.
Wenn Mitarbeitende, Pflegekräfte, Ärzt’innen, Verwaltung und Reinigungspersonal früh beteiligt werden, entstehen ungewohnte, aber sinnvolle Räume:
- Effizient gestaltete Arbeitsplätze, die lange Wege sparen
- Schallisolierte Rückzugskapseln für Erholung
- Fitnessräume für Ausgleich
- Pausenzonen mit Außenbereich und gutem Kaffee und gesundem, frischen Essen
Fallbeispiel: Neues Herzzentrum der Charité, Berlin
Für das neue Herzzentrum der Charité in Berlin stand von Anfang an eine Frage im Raum:
„Wie können wir ein Krankenhaus planen, in dem sich Patient’innen, Besucher’innen und Mitarbeitende wirklich wohlfühlen?“
Dafür wurden über zweitausend Beschäftigte in den Planungsprozess einbezogen. Aus ihren Ideen entstand, was die Architekt’innen „gebaute Wertschätzung“ nennen: Ein Gebäude, das Patient’innen, Ärzteschaft, Pflegende und alle weiteren Nutzergruppen gleichermaßen mitdenkt.
In einer angemieteten Halle wurden dafür ganze Intensivzimmer, Pflegestützpunkte und Funktionsbereiche als 1:1-Modelle aufgebaut und digital simuliert. So konnten Teams reale Abläufe durchspielen, Wege testen und Technik ausprobieren, Wünsche einbringen, bevor gebaut wurde. Änderungen an Grundrissen, Schleusen und Laufwegen wurden in Echtzeit in die Planung übernommen. Das Ziel: kurze Wege, klare Abläufe, intuitive Orientierung und ein Gebäude, das im Alltag trägt.
Für das Personal entstehen Rückzugsräume und Regenerationsräume, die mehr sind als Aufenthaltsbereiche. Von ihnen aus ist ein begrünter Dachgarten mit Joggingstrecke erreichbar, mit Blick ins Grüne und auf die Spree. Wer täglich Höchstleistung erbringt, soll einen Ort haben, um wirklich durchzuatmen, sich zu bewegen und kurz Abstand zu gewinnen.
Begleitet wird das Ganze von einem tageslichtorientierten Beleuchtungskonzept, einer möglichst geräuscharmen Umgebung, allergiefreundlichen Materialien und einem klaren Wege-Leitsystem, das Stress reduziert, für Patient’innen, Besucher’innen und Mitarbeitende.
Noch ist das Herzzentrum nicht gebaut, aber die Planung zeigt: Wenn Nutzer’innen früh einbezogen werden, verändert sich die Qualität von Gesundheitsbauten grundlegend.
Im Kontext von Fachkräftemangel ist das ein starkes Signal: Architektur wird hier bewusst als Teil der Arbeitgebermarke verstanden. Das Herzzentrum zeigt, wie Healing Architecture aussehen kann, wenn Aufenthaltsqualität, Gesundheit und Wertschätzung von Anfang an mitgeplant werden. Nicht als „Zugabe“, sondern als Grundlage.
Mein ganzheitliches Konzept des Sensory Wellbeing Design© – mit dem ich Räume gestalte die sich gut anfühlen

6. Sensory Wellbeing Design© und Cross Sensory Effekt
Sensory Wellbeing Design© Mein ganzheitliches Konzept für multisensorische Raumplanung
Sensory Wellbeing Design© nenne ich mein Konzept, mit dem ich Räume konsequent vom Wohlbefinden her denken. Ich verbinde wissenschaftliche Erkenntnisse aus Healing Architecture und Evidence-Based Design mit dem, was Menschen im Alltag spüren: Licht, Akustik, Materialien, Farben, Gerüche, Temperatur.
Für meinen multisensorischer Planungsprozess nutze ich den Cross-Sensory-Effekt: Unsere Sinne arbeiten zusammen. Was wir sehen, hören, riechen oder unter den Händen fühlen, vermischt sich im Körper zu einem Gesamteindruck.
Für mein aktuelles Klinikprojekt habe ich mich ein Jahr lang eingelesen und mich mit vielen Studien beschäftigt. Denn es geht nicht um meinen persönlichen Geschmack sondern darum, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse konzeptionell in die vorhandenen Räume zu übersetzen.
Doch auch aus eigener Erfahrung weiß ich, wie stark Räume auf uns wirken und wie sie Stress oder Reizüberflutung noch verstärken können. Schon als Kind spüre ich, dass manche Räume mir guttun und andere nicht.
Ohne das Wort Minimalismus zu kennen, suche ich nach Reduktion und Klarheit. Lange bevor ich es fachlich begreife, sehe ich Räume im Zusammenhang mit Wellbeing. Ich merke, wie natürliche Materialien, Licht und „weniger“ mein Wohlbefinden positiv beeinflussen. Ich bin hochempathisch, heißt: Wenn ich mit Menschen über ihre Räume spreche, höre ich nicht nur zu und stelle viele Fragen, ich spüre mit und bemerke jede Regung im Gesicht und in der Körpersprache.
Oft erlebe ich, dass Menschen ihre eigenen Bedürfnisse längst kennen, sie sich aber nicht trauen, ihnen wirklich nachzugehen. Besonders hochsensible Menschen. Freunde, Fachplaner und auch Verkäufer halten sie oft davon ab.
Ich aber hake nach, weil ich spüre, „dass da was ist“. Leider haben die meisten Menschen gelernt, sich anzupassen. Wir möchten dazugehören, doch besser geht’s uns damit nicht. Es wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden aus. Denn gute Räume entstehen, wenn ich Bedürfnisse und Stimmungen in Gestaltung übersetze.
Der Cross Sensory Effect: Wenn alle Sinne zusammenwirken
Unsere Sinne arbeiten miteinander und verstärken sich. Das beschreibt der Cross-Sensory-Effekt. Je besser ein Raum mehrere Sinne anspricht, desto stärker beeinflusst er das Raumgefühl der Menschen, die ihn nutzen.
Ein Raum wirkt also nicht nur durch Licht oder Farbe, sondern durch das Zusammenspiel aller Sinneseindrücke. Wenn Farben, Materialien, akustische Reize, Licht und Düfte aufeinander abgestimmt sind, entsteht ein stimmiges Raumgefühl.
Der Cross-Sensory-Effekt ist wissenschaftlich fundiert. Studien zeigen: Räume, die mehrere Sinne ansprechen, werden als sicherer, beruhigender und angenehmer erlebt. Sie fördern das Wohlbefinden, gerade in sensiblen Bereichen wie Kliniken, Therapieräumen oder Wartebereichen.
Besonders deutlich wird das am Zusammenspiel von Haptik und Akustik: Harte, schallreflektierende Oberflächen wirken oft kühl und machen den Raum hallend. Weiche, schallabsorbierende Materialien vermitteln dagegen Wärme und Ruhe, die den Körper entspannt.
Für Architekten, Innenarchitekt’innen und Planende ist der Cross-Sensory-Effekt ein wertvolles Werkzeug. Denn so entstehen menschlichere Räume, die nicht nur gut aussehen, sondern sich auch gut anfühlen.
7. Evidenzbasiertes Design im Krankenhaus: konkrete Raumbeispiele
Magistrale und öffentliche Begegnungsbereiche
Die Magistrale, auch Patientenstraße genannt, ist nicht nur zentrale Eingangs- und Durchgangszone, sondern der lebendigste Teil des Gebäudes. Lichtdurchflutete, hohe Räume und kommunikative Sitzlandschaften mit Pflanzen laden zum Aufenthalt und Austausch ein. Raumhohe Glaswände mit Blick ins Freie auf einen begrünten Platz oder Garten verbinden den Innenraum mit dem Außenraum.
So entsteht eine positive Gesamtatmosphäre, die dazu einlädt, sich länger aufzuhalten. Das fördert Gespräche und soziale Verbindung und sorgt für einen guten ersten Eindruck bei Besucher’innen und Patient’innen.
Ein Café entlang der Magistrale gibt Patient’innen einen Grund, aufzustehen. Viele freuen sich darauf, „mal runterzugehen“, einen Kaffee zu trinken, andere Menschen zu sehen. Das aktiviert und ist eine willkommene Abwechslung zum Patientenzimmer.
Patientenzimmer
Das Patientenzimmer, möglichst als Einzelzimmer, ist privater Rückzugsort. Weit weg vom typischen Krankenzimmer, das viele noch im Kopf haben, orientiert es sich eher an Zuhause und einem behaglichen Hotel: Große Fenster mit Blick ins Grüne lassen viel Tageslicht herein. Warme, pastellige Natur- und Holztöne, dimmbares Licht und bequeme Sitzmöbel schaffen einen Raum, in dem Patient:innen mit ihren Angehörigen gern zusammensitzen. Die Technik ist vorhanden, aber unaufdringlich integriert. Studien zeigen: Solche Zimmer senken Stress und unterstützen die Genesung.
Intensivstation
Eine moderne Intensivstation ist ein sehr sensibler Ort. Menschen sind hier in einer Ausnahmesituation und körperlich und seelisch stark belastet. Der Raum muss medizinisch perfekt funktionieren und trotzdem Ruhe und Sicherheit geben.
Neue Konzepte denken deshalb weiter. Sie rücken den Menschen und seine multisensorische Wahrnehmung in den Mittelpunkt:
- Technik: Geräte verschwinden hinter modularen Wänden. Das schafft Ordnung und senkt Stress.
- Licht: Sanftes, steuerbares Licht folgt dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Das hilft bei Orientierung, Schlaf und innerer Ruhe.
- Materialien und Farben: Warme, matte Oberflächen und naturnahe Farben wirken beruhigend statt steril.
- Böden: Dunkle Böden geben Halt und helfen, sich zu orientieren.
- Atmosphäre: Eine gute Akustik, klare Raumstruktur und dezente Beleuchtung schaffen Vertrauen für Patient:innen und Pflegepersonal.
Derart gestaltete Räume reduzieren Stress, mindern Ängste und beugen Verwirrtheit oder Delirien vor.
Sie helfen Patient’innen, sich sicher zu fühlen, und entlasten das Personal, weil die Umgebung ruhiger und übersichtlicher wirkt.
Heilender Garten oder Therapiegarten
Ein Therapiegarten ist anders: Er ist so gestaltet, dass er Heilung und Regeneration unterstützt. Er ist ein Teil des Heilungsprozesses und der täglichen Therapie. Er bietet Patient’innen, Angehörigen und Mitarbeitenden Rückzugs- und Begegnungsräume im Freien.
Charakteristische Elemente eines Therapiegartens
Naturnahe Gestaltung: Wasserflächen, Blumenwiesen, Laubhecken, Duftstauden, Kräuterbeete und zwischendrin schattige Sitzplätze.
Atmosphäre zu jeder Jaheszeit: Geschwungene Wege führen durch den Garten und sorgen für immer neue Blickwinkeln. Leicht modellierte Geländeformen, kleine Hügel oder Absenkungen, bringen Abwechslung. Im Winter wirkt der Therapiegarten zwar ruhig aber nicht kahl, denn Gräser bleiben über den Winter stehen und wirken mit Raureif oder Schnee besonders schön.
Sinnliche Vielfalt: Pflanzen mit unterschiedlichen Düften, Farben und Blattformen sprechen alle Sinne an. Vom Sehen und Riechen bis zum Tasten und Schmecken.
Kräuter: Lavendel, Rosmarin, Zitronenmelisse oder Thymian fördern Entspannung und wecken Erinnerungen und unterstützen Aromatherapie oder Gartentherapie.
Bewegung: Barrierefreie Wege, Rundgänge oder leichte Bewegungspfade regen zur Aktivität an und fördern Mobilität, Gleichgewicht und Selbstwirksamkeit.
Rückzugs- und Begegnungsorte: Sitzbereiche in Sonne und Schatten ermöglichen Ruhe oder Austausch.
Nachgewiesene Wirkung
Regelmäßige Aufenthalte im Grünen senken den Puls, reduzieren Stress und stärken das Immunsystem. Das fördert die psychische Stabilität, verbessert die Schlafqualität und beschleunigt die Genesung.
8. Architektur Beispiele: Wegbereiter für humanere Krankenhäuser
Es gibt Gebäude, in denen man sich sofort willkommen und wohlfühlt. Die folgenden Beispiele zeigen Krankenhausarchitektur die ihre Nutzer’innen versteht.
Maggie’s Centres
Die Maggie’s Centres in Großbritannien entstanden aus einer einfachen Idee: Menschen in Krisen brauchen mehr als Medizin, Sie brauchen Orte, die Halt geben. Zwischen Klinik und einem Zuhause auf Zeit liegen Häuser mit Tageslicht, Gärten, warmen Materialien und offener Architektur. Jedes ist anders, doch alle wirken wie eine Umarmung. Architektur wird hier zur Geste des Mitgefühls.
Kinderklinik Freiburg
Die Kinderklinik in Freiburg fühlt sich für Familien an wie ein Zuhause auf Zeit. Natürliche Materialien, helle Räume, sanfte Farben und viel Tageslicht nehmen Kindern die Angst und Eltern die Anspannung. Es gibt Orte zum Spielen, Rückzug und Zusammensein. Man spürt: „Die verstehen, wie Heilung gelingt“.
Haraldsplass Hospital, Norwegen
Das Haraldsplass Hospital in Bergen zeigt, wie sanfte Formen, viel Holz und natürliches Licht Räume entstehen lassen, die den Menschen stärken. Fenster geben den Blick in die Landschaft frei, warme Materialien schaffen Nähe, selbst Flure wirken freundlich und fast wohnlich. Funktion und Empathie gehören hier zusammen.
9. Die Qualität von Gesundheitsbauten: Healing Architecture zwischen Ideal und Realität
Zielkonflikt in der Klinikplanung: Vorschriften erfüllen und Wohlbefinden sichern
Die Planung von modernen Gesundheitseinrichtungen ist komplex: Auf der einen Seite steht der Wunsch nach Wärme, Orientierung und einer menschlichen Umgebung. Auf der anderen Seite stehen: Ausschreibungsregeln, Förderbedingungen, Zeitdruck und der Zwang zur Wirtschaftlichkeit.
Die strikte Einhaltung von Hygienevorschriften, Keimfreiheit, Brandschutzbestimmungen und Barrierefreiheit führen oft zu einer Umgebung, die steril, funktional und wenig einladend ist. Doch die Nutzer’innen des Gebäudes brauchen eine Atmosphäre, die Wohlbefinden und Genesung fördert.
Healing Architecture: Wie sie den Widerspruch auflösen kann
Healing Architecture löst den Widerspruch auf, in dem Planungsteams fragen: Wie funktioniert es medizinisch und wie wirkt ein Raum auf den Menschen, der hier liegt, arbeitet oder wartet?
Das verändert alles:
- Ein Raum bleibt hygienisch sauber, ohne steril zu wirken.
- Technik ist da, aber nicht das Erste, was man sieht.
- Abläufe funktionieren, ohne dass Menschen durch unlogische Wege gestresst werden.
- Licht erfüllt Normen, ohne zu blenden oder zu überfordern.
- Materialien halten Klinikalltag aus, fühlen sich aber nicht kalt und fremd an.
- Orientierung ist klar, ohne dass man überall Schilder braucht.
- Und: Der Raum unterstützt die Sinne statt sie zu überfordern.
Healing Architecture gelingt, wenn wir den Raum gleichzeitig durch zwei Brillen betrachten: die medizinische und die menschliche.
Wenn der Raum Teil der Behandlung ist, entsteht ein Krankenhaus, das korrekt funktioniert und sich trotzdem warm, ruhig und sicher anfühlt.
Gewachsene Strukturen: Warum viele Kliniken an ihre räumlichen Grenzen stoßen
Viele Krankenhäuser sind über Jahrzehnte gewachsen. Das Ergebnis von Anbauten an Altbauten kennen wir: Flure, die abrupt enden und verwirren. Dunkle Räume ohne Tageslicht, kein zusammenhängendes Gestaltungskonzept.
Für Patient:innen bedeutet das Unsicherheit und Orientierungsverlust. Für Mitarbeitende bedeutet es Umwege, die Zeit kosten und erschöpfen.
Dabei wissen wir längst: Licht, klare Wegführung und ein strukturierter Raumfluss sind keine Extras. Sie sind Grundvoraussetzungen für Sicherheit und Entlastung.
Fachkräftemangel: Räumliche Qualität als echter Wettbewerbsvorteil
Heute wählen Pflegekräfte und Ärzt’innen ihren Arbeitsplatz nicht nur nach Gehalt oder Fachrichtung sondern auch nach der räumlichen Qualität, in der der Mitarbeitende sich Tag und Nacht aufhält:
- Räume, in denen es Spaß macht, zu sein
- Pausenzonen mit Tageslicht
- Eine Dachterrasse zum Durchatmen
- Sitzbereiche, die abgeschirmt sind für Ruhe zwischendurch
- Wege, die auf Arbeitsabläufe abgestimmt sind
Das sind keine „Nice-to-haves“. Es sind Bausteine eines gesunden Arbeitsumfelds und Ausdruck von Fürsorge und Wertschätzung.
Aufenthaltsqualität: Nicht eingeplant, aber entscheidend
Trotzdem taucht Aufenthaltsqualität in keiner Kostenkalkulation auf. Während Wahlleistungszimmer mit Design und Komfort um Privatpatient:innen werben, bleiben viele Stationen funktional und nüchtern, manchmal bis zur Lieblosigkeit.
Was fehlt, ist der Blick auf das, was Architektur wirklich kann: Stress senken, Orientierung und Sicherheit geben, Vertrauen schaffen und ein Zuhause auf Zeit sein.
10. Ausblick: Healthcare Räume – Gesundheitsbauten, die stärken
Eine Klinik ist kein neutraler Ort. Sie ist ein Lebensraum, an dem sich Hoffnung, Angst und Fürsorge begegnen. Hier geht es um weit mehr als um Funktion und Effizienz. Es geht um Menschen, die dort genesen, pflegen und arbeiten.
Zukünftige Gesundheitsräume nehmen Patient’innen und Mitarbeitende ernst. Regenerierende Räume sind kein Trend, sondern Ausdruck von Verantwortung. Sie lassen sich entwickeln anhand zentraler Fragen, siehe Kapitel 6 zu Leistungsphase 0. Gesundheitsräume der Zukunft werden sich verändern. Weniger Einzelhäuser, mehr vernetzte Zentren, in denen Akutmedizin, Prävention, Therapie und Beratung zusammenfinden. Alles an einem Ort.
Auch Expert’innen wie Sylvia Leydecker, Linus Hofrichter und Boris Augurzky betonen, dass die Zukunft der Gesundheitsbauten in Qualität statt Quantität liegt. Sie fordern weniger Krankenhäuser, dafür bessere. Weg von Masse, hin zu Gebäuden, die den Unterschied machen. Gute Gestaltungsqualität ist gelebte Nachhaltigkeit. Krankenhäuser müssen heute auch für Mitarbeitende attraktiv sein, denn Architektur ist Teil der Arbeitgebermarke.
Architektur kann Teil der Fürsorge sein. Wenn wir lernen, Räume als Resonanzräume für den Menschen zu verstehen, verändert sich, wie wir Gesundheit denken.
Ich sehe darin eine große Chance: Wenn wir Gesundheitsräume als Orte der Regeneration, Prävention und des Vertrauens begreifen, werden sie zu einem wichtigen Teil der Heilung und Vorsorge. Architektur kann Stress senken, Ruhe schenken und Orientierung geben. Sie kann Menschen unterstützen. Und genau das ist für mich der Maßstab einer verantwortungsvollen Gestaltung.
11. Quellen
Brichetti, Katharina / Mechsner, Franz (Hrsg.): Heilsame Architektur. Raumqualitäten erleben, verstehen und entwerfen. Bielefeld 2019.
Christine Nickl-Weller / Hans Nickl (Hrsg.): Architektur für Gesundheit. Salenstein 2020.
Koppen, Gemma / Vollmer, Tanja C.: Architektur als zweiter Körper. Eine Entwurfslehre für den evidenzbasierten Gesundheitsbau. Berlin 2022.
Leydecker, Sylvia / Hofrichter, Linus / Augurzky, Boris: Der Weg zu mehr Aufenthaltsqualität im Krankenhaus. In: German-Architects, 12. September 2024 unter: https://www.german-architects.com/de/architecture-news/interviews/der-weg-zu-mehr-aufenthaltsqualitat-im-krankenhaus
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